Den Westen und auch das Herz der Motorradregion Südtirol-Dolomiten haben wir auf anderen Touren bereits ausgiebig erfahren. Jetzt lasst uns ganz im Osten noch einmal himmelwärts streben, denn dort erwarten uns mit der Panoramastraße Tre Cime di Lavaredo sowie dem Passo Giau echte Dolomiten-Highlights, die bei keiner Tourenplanung fehlen dürfen. Dazu haben wir noch ein paar „No Names“ beigemischt, um unser Lebens-Roadbook prall zu füllen. Dass wir diese Rundreise durch das herrliche Val di Zoldo routen, hat neben dem rein fahrerischen Vergnügen noch einen weiteren Grund: Stammen aus diesem Tal doch die besten Gelatieri Italiens.

Die Tour
Direkt zu Füßen des mächtigen, ja einzigartigen Gebirgsstocks der Drei Zinnen starten wir zu dieser extrem kurven- und sehr kehrenreichen Fahrt in den Tourentag. Vor allem Wintersport-Fans werden Toblach kennen, aber auch wir Motorradfahrer, als sozusagen „natürliche“ Feinde winterlicher Verhältnisse, können unmittelbar von diesem Ausgangsort profitieren. Dazu dirigieren wir das Motorrad auf der SS51 schnurstracks gen Süden, folgen den Wegweisern zum Lago Misurina, setzen zweimal den Blinker rechts und erreichen bereits früh am Morgen den Einstieg zur Drei-Zinnen-Panoramastraße, ausgeschildert als Wanderregion Tre Cime di Lavaredo.

Der frühe Vogel genießt das Panorama – und schweigt
Während die ersten Kilometer bis hinauf zum malerischen Lago di Antorno noch mautfrei sind, müssen wir für die restliche Auffahrt zum Rifugio Auronzo eine kleine Maut bezahlen, die sich aber nach wenigen Metern bereits „rechnet“. Außer vielleicht – seien wir ehrlich – an sommerlichen Ferienwochenenden, denn da kann der Verkehr hinauf zu den Drei Zinnen die Suche nach der Ideallinie kräftig erschweren. Unser Tipp deswegen: Fahrt diese prächtige Panoramastraße unter der Woche und früh am Morgen, dann aber bis zum Ende. Parkmöglichkeiten gibt’s genug dort oben.
Zurück auf der Tour kann sich auch der ansichtskartengleiche Lago di Misurina samt namensgleichem Pass über Mangel an Aufmerksamkeit nur selten beschweren. Das Panorama samt See brennt sich ein in unsere Erinnerungen, die Gastronomie entlang des 1756 m hoch gelegenen natürlichen Bergsees lockt mit den schönsten Sonnenterrassen der Dolomiten, nur der gleichnamige Pass am Südende des Sees vermisst wohl bis heute eine eigene Beschilderung. Ganz anders der vor uns liegende Passo Tre Croci, dessen drei Kreuze kurz nach dem eigentlichen Passschild am Rand der Scheitelhöhe in den Himmel ragen. Sie erinnern an eine Mutter und ihre beiden Söhne, die im Winter 1789 auf der Suche nach Arbeit über den Pass wanderten und erfroren sind. Heute ist der kurvenreiche und für Rennradfahrer durchaus anspruchsvolle Pass fast schon ein Pflichttermin des alljährlichen Giro d’Italia.
Cortina d’Ampezzo ist seit Jahrzehnten eine Berühmtheit im alljährlichen Skizirkus und auch in den Sommermonaten ein Pflicht-Boxenstopp der gesamten Motorradregion Südtirol-Dolomiten. Traumhaft gelegen in einem Hochtal auf 1200 m und umgeben von den spektakulärsten Gipfeln der Dolomiten ist der Anblick der quirligen Stadt aus allen Richtungen einen Fotostopp wert. Ganz besonders auch aus Richtung Tre Croci Pass. Ja dem ein oder anderen mag der Blick sogar bekannt vorkommen, was nicht wundert, schaut man auf die Liste der internationalen Filmproduktionen, die in und um Cortina d’Ampezzo gedreht haben: James Bond alias Roger Moore rettete von hier aus 1981 in tödlicher Mission die Welt und Sylvester Stallone hing in den umliegenden Hausbergen von Cortina für seinen Film „Cliffhanger“ an vielen Felsen herum. Oftmals sogar ohne Double, wie erzählt wird.
Der nun folgende Passo Giau gehört zu den Abschnitten dieser Runde, den Anfänger und Wiedereinsteiger unter Führung einer erfahrenen Hand am Lenker absolvieren sollten. Frei von Zeitdruck und abseits von Ferienwochenenden, sodass die Ideallinie in jeder der 60 Kehren gut zu finden ist. Dann ist der Giau für alle ein absoluter Hochgenuss. Über Colle Santa Lucia erreichen wir sodann Caprile und haben die Enttäuschung, dass der genannte Weiler gar kein Pass ist, rasch verdaut. Vor allem auch im Angesicht der Strecke, die noch vor uns liegt.

Abenteuer meets Einsamkeit – im Motorradparadies Dolomiten heute fast selten
Denn bereits im Nachbarort Rocca Pietore erwartet uns das nächste Abenteuer: die Piste über Pezzè nach Caracoi Cimai – kaum mehr als lenkerbreit, durch dichten Wald und als Güterweg mehr recht als schlecht asphaltiert. Wer es lieber gemütlicher mag, wählt die alternative und parallel verlaufende SR203 nach Alleghe, die ist auf jeden Fall ganzjährig legal befahrbar. Gleiches gilt auch für den nun folgenden Schlenker. Unbeschwert folgen wir der SR203 nach Cencenighe Agordino, wer allerdings jetzt noch eine Prise Abenteuer sucht, wählt stattdessen das winzige Bergsträßlein über La Costa und Mezzavalle nach Cencenighe. Und wenige Kilometer weiter noch den optionalen Sackgassen-Abstecher in das wild-idyllische Valle di San Lucano mit dem Cascata dell’Inferno am Col di Pra, dem Höllenwasserfall. Fast ein wenig spooky …
Bevor wir uns nun wieder namhaften Pässen sowie dem versprochenen Zoldo-Tal widmen, empfehlen wir erfahrenen Bikern noch einen Abstecher – auf KURVIGER hinterlegt – über die „No Names“ Forcella Aurine und Forcella Franche, eine fast schon süchtig machende Kurvenkombi. 25 Kehren auf 29 km Länge mit satten 1320 m allein bergauf – wer benötigt bitte noch mehr Argumente?
Der nun folgende Passo Duran gehört zu den bekannteren Dolomitenpässen und führt uns auf gut ausgebauter Straße direkt nach Pieve di Zoldo und damit in das verheißungsvolle Zoldo-Tal. Im 19. Jahrhundert herrschte hier große Armut und einige Bewohner versuchten sich in der Produktion von Speiseeis für ihre Nachbarn, Wanderer und Gäste. Der Grundstein für einen über 100 Jahre später einsetzenden Ruhm war gelegt. Heute sollen über 80% der im Sommer in Deutschland arbeitenden echten Gelatieri-Familien aus dem Val di Zoldo sowie dem angrenzenden Val di Cadore stammen. Von November bis April kehren sie zum Überwintern zurück in ihre Heimat.

Ein Motorradsommer im Cadore ohne Eisvergnügen? Keinesfalls …
Was nicht bedeutet, dass wir in der Motorradsaison von Mai bis Oktober in dieser Region auf leckere Eisbecher verzichten müssen. Denn während die jungen Eisspezialisten nach Deutschland gehen, bleiben die Alten lieber daheim im Cadore und produzieren ihr legendäres Eis. Unser Tipp dazu: die Gelateria Il Cristallo in Pieve di Cadore. Fast schon Pflicht an einem Sommertag und die perfekte Abwechslung nach dem unscheinbaren Passo Cibiana, den wir soeben überquert haben.
Pieve di Cadore ist mit fast 4000 Einwohnern der Hauptort des Cadoretales, die gesamte Region wurde bereits lange vor den Römern besiedelt. Den sehenswerten Ort selbst prägen allerdings nicht die Eiscafés, sondern die Tatsache, dass hier der venezianische Maler Tizian geboren wurde, einer der bedeutendsten Maler seiner Zeit und mit 646 Bildern bereits zu Lebzeiten „gut im Geschäft“. Und gleichwohl nur ein einziger echter „Tizian“ den Weg heim nach Pieve di Cadore fand, huldigt der Ort seinem berühmtesten Sohn sehr intensiv.
Wir huldigen an diesem Tourentag nochmals der ausgiebigen Kurvenhatz und schwingen über Lozzo di Cadore an den Lago di Santa Caterina bei Auronzo di Cadore. Der Anblick des Ortes ist überwältigend und das Eis der Gelateria Artigianale Vecellio ebenfalls echte Handwerkskunst.
Fahrerisch abrunden können wir diese Tour bei der zügigen Fahrt über den Passo San Antonio, der gemeinsam mit dem im Norden anschließenden Kreuzbergpass das Vergnügen in den östlichen Dolomiten echt erinnerungswürdig macht.
Wichtiger Hinweis: wir haben die Osttiroler Hauptstadt Lienz ans Ende der Tour gelegt, weil sich ein Besuch der Sonnenstadt auch am Abend unbedingt lohnt und wir zusätzlich noch in den Genuss der wunderbaren Pustertaler Höhenstraße kommen. Wer sich diesen Abschnitt gerne für eine andere Tour aufheben will, kann die aktuelle Runde selbstverständlich bereits am Ausgangspukt in Innichen/San Candido bzw. Toblach/Dobbiaco beenden.

Übersicht aller Pässe der Tour
Panoramastraße Tre Cime di Lavaredo (Rifugio Auronzo)
Höhe: 2320 m
Länge: 7 km
Maut: ja
Wintersperre: November bis Mai
Anspruch: leicht
Forcella Franche
Höhe: 991 m
Länge: 15 km
Maut: keine
Wintersperre: keine
Anspruch: mittelschwer
Misurinapass (auch Col St. Angelo)
Höhe: 1758 m
Länge: 5 km
Maut: keine
Wintersperre: keine
Anspruch: leicht
Passo Duran
Höhe: 1605 m
Länge: 22 km
Maut: keine
Wintersperre: Dezember bis April
Anspruch: leicht
Passo Tre Croci
Höhe: 1809 m
Länge: 12 km
Maut: keine
Wintersperre: keine
Anspruch: leicht
Passo Cibiana
Höhe: 1530 m
Länge: 14 km
Maut: keine
Wintersperre: keine
Anspruch: leicht
Passo di Giau
Höhe: 2236 m
Länge: 21 km
Maut: keine
Wintersperre: keine
Anspruch: mittelschwer
Passo San Antonio
Höhe: 1489 m
Länge: 13 km
Maut: keine
Wintersperre: keine
Anspruch: leicht
Forcella Aurine
Höhe: 1299 m
Länge: 15 km
Maut: keine
Wintersperre: keine
Anspruch: mittelschwer
Kreuzbergpass
Höhe: 1636 m
Länge: 13 km
Maut: keine
Wintersperre: keine
Anspruch: leicht
Unterkunftsempfehlung
TOURISMUSVERBAND OSTTIROL – Lienz
Ja, wenn der Service für Motorradurlauber bei offiziellen Tourismuseinrichtungen nur überall so vorbildlich wäre wie hier. Von einer tollen und kostenlosen Motorrad-Tourenkarte bis zu den GPS-Downloads im starken Motorradbereich der Homepage und von der Möglichkeit ein Motorrad zu leihen bis zu motorradfreundlichen Hotels und Campingplätzen wird beim Tourismusverband Osttirol das geboten, was man sich als Biker vorstellt.
Bereits die Anfahrt nach Osttirol über die Felbertauernstraße, eingerahmt von den Alpenpanoramen der Hohen Tauern, verspricht satten Motorradgenuss. Die Osttirol-Metropole Lienz lockt dann nicht nur mit mediterranem Flair und mit einladenden Kaffeehäusern, sondern auch mit einem Besuch des Tourismusbüros, das perfektes Motorradmaterial bereithält.
Tourismusverband Osttirol
Mühlgasse 11
A-9900 Lienz
+43 50 212 212
info@osttirol.com
www.osttirol.com


Tourenbeschreibung in Zusammenarbeit mit MOTORRADSTRASSEN
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