Klosterblick-Klausen

Motorradtour – Mitten in Südtirol erwartet uns ein Motorrad-Traumrevier namens Sarntaler Alpen

In der Motorradregion Südtirol-Dolomiten gibt es einige, in sich abgeschlossene, eigenständige Landschaften, die unsere Reiseerinnerungen nachhaltig prägen können. Die Sarntaler Alpen sind so eine Landschaft. Ein Tal, das über viele Jahrhunderte hinweg fast autark und fernab allen Trubels des Eisacktales existierte. Und sich eine Eigenständigkeit bewahrte, die auch heute noch allerorten spürbar ist. Begeben wir uns auf eine hoch interessante, ja enorm abwechslungsreiche Zeitreise und kombinieren die Höhepunkte des Eisacktales, wie Brixen und Bozen, mit der Andersartigkeit des Sarntales. Dass wir dabei en passant noch die ein oder andere unbekannte „Größe“ unserem Pässe-Lebensroadbook hinzufügen können, erhöht den Reiz dieser Runde um ein Vielfaches. Bitte randvoll tanken und den Spürsinn einschalten…    

Tour Key Facts

Region: Südtirol-Dolomiten
Tour-Länge: 317 km
Zeitaufwand: 1 Tag
Höhenmeter insgesamt bergauf: 12.785 m
Geeignet für: alle Motorräder, für erfahrene Touren- und Sportbike-Fahrer,
für Anfänger wenige Abschnitte mittelschwer.           
Beste Reisezeit: Juni bis Oktober

Die Tour

Brixen, die Stadt der Bischöfe, ist nicht nur die drittgrößte Stadt Südtirols, sondern auch eine der ältesten. Historisch wertvoll sozusagen mit einer strategisch nicht minder wichtigen Lage in einem weiten Talkessel, der das nördliche Tor zum Eisacktal darstellt.

280 offizielle Baudenkmäler listet Brixen in seinem Stadtgebiet auf – in Kombination mit einer lebendigen Kultur- und Kneipenszene also ein idealer Ort, um ihm unsere volle Aufmerksamkeit zu widmen. Ein Bummel durch die versteckten Gässchen ist Pflicht.

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Brixen ©MOTORRADSTRASSEN-Peter Wahl

Bitte aufgepasst: zweimal falsch abbiegen und schon fehlt ein Stück Genuss

Dann aber zieht es uns hinaus gen Süden. Wer jetzt voreilig auf die A22 abzweigt begeht den ersten groben – ja sogar kostenpflichtigen – Fehler. Aber auch wer stattdessen auf der parallel verlaufenden SS12 bleibt, verzichtet auf fahrerischen und panoramareichen Hochgenuss. Denn wir haben Euch hier eine Tour zusammengestellt, die auf oftmals einsamen Pfaden zu echten Höhepunkten führt. Dazu gehört zunächst einmal die Höhenstraße SP74 am Westhang des Eisacktales nach Feldthurns, dessen imposantes Schloss einst die piekfeine Sommerresidenz der Brixner Bischöfe war. Mit handgeschnitzten Portalen und vergoldeten Kassettendecks – man gönnte sich ja schon im Mittelalter kaum etwas. 

Und während die SP74 nun wieder hinab ins Eisacktal schwingt, bleiben wir auf der Anhöhe und pendeln genüsslich über den Weiler Latzfons nach Klausen, das unbedingt als Stopp zu empfehlen ist, denn die faszinierende Altstadt und das Kloster Säben wissen zu gefallen.

10 waschechte Kehren später erreichen wir Villanders und können hier einen fahrerisch ansprechenden Spontanabstecher zum ausgeschilderten gleichnamigen Stausee einbauen. Hübsch anzuschauen und dass sein Wasser vor allem dem winterlichen Skibetrieb dient – Schwamm drüber. 

Klosterblick Klausen ©Heinz Studt

Besichtigungstipp: Von Erosion und ewigem Wind zu echter Schönheit geformt

Über Barbian und Klobenstein erreichen wir anschließend die berühmten Erdpyramiden von Oberbozen, ein Naturschauspiel, das Seinesgleichen sucht. Sind es doch die höchsten und schönsten Europas, geformt über Jahrhunderte von der Erosion, von Regen und Wind. Beinahe unbeachtet haben wir damit allerdings auch unseren ersten Pass des heutigen Tages erklommen – den Ritten in Form eines weiten Hochplateaus auf bis zu 1500 m Höhe. Die Suche nach einem Passschild ist wohl Zeitverschwendung, genießt das Panorama entlang des Weges, der uns sodann kurvenreich hinab nach Bozen führt. 

Die Landeshauptstadt Südtirols ist ein niemals ruhender Schmelztiegel aus Industrie-, Universitäts- und Wohnstadt. Das historische Zentrum mit vielen Zeitzeugen aus noch mehr Jahrhunderten Stadtgeschichte lohnt einen Rundgang, ist allerdings geprägt durch ein Konglomerat aus Einbahnstraßen, das selbst moderne Navigationsgeräte so manches Mal überfordert.

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Fantastische Aussicht Richtung Bozen ©Heinz Studt

Eine der großen Ausfallstraßen – die SP 165 – führt uns dafür zielsicher gen Westen aus Bozen hinaus. Bereits nach wenigen Kilometern herrscht wieder Ruhe vor dem Windshield, wenn wir kurvenreich über Siebeneich und Nölten hinauf zum zweiten Pass des Tages huschen: dem Schermoossattel.

4 Kehren auf 17 Kilometern Länge lassen uns das Großstadtgetümmel Bozens schnell vergessen. Der Sattel macht seinem Namen bescheidene Ehre, ein weites Plateau auf 1450 m Höhe, eine Imbissbude sowie Wanderparkplätze samt Bushaltestelle, das war’s. Aber gut, so einfach können wir einen weiteren Pass unserem Lebensroadbook hinzufügen.

Schon das südliche Tor hinauf ins Sarntal ist spektakulär

Das nun vor uns liegende Sarntal prägt diese Rundreise wie kein anderer Höhepunkt. Und das sowohl fahrerisch als ganz besonders auch landschaftlich. Durch eine atemberaubend enge Schlucht windet sich die SS508 als südliche Zufahrt hinauf ins Tal und überwindet dabei ganz nebenbei fast 900 Höhenmeter. Unterhalb der Straße rauscht der Talfer-Bach gen Süden und schwillt, vor allem zur Schneeschmelze, zu einem rauschenden Fluss an, der damit auch Bozen seit Jahrhunderten maßgeblich prägt. Brücken über den Fluss dienten als Zollstellen und heutzutage wird sein Wasser sogar zur Stromerzeugung entnommen.

Sarntal© Heinz Studt

In Sarnthein, dem hübschen Hauptort des Sarntales existiert heute noch eine historische „Kissing Bridge“ über die Talfer, also eine überdachte Holzbrücke, auf der man vor allem abends unbeobachtet knutschen konnte. Der Ort selbst ist das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Tales auf fast 1000 m Höhe, in dem sich ein Rundgang allemal lohnt. Ausdrücklich nicht nur am Sarner Kirchtag, dem größten Volksfest Südtirols, immer am ersten September-Wochenende.

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Wetten: Auch Ganz-Kalt-Duscher werden an dieser Stelle verweigern

Bevor wir uns nun dem nächsten und höchsten Pass dieser Runde widmen, empfehlen wir Euch noch einen Sackgassen-Abstecher, der im herrlichen Sarntal im Grunde ganzjährig Pflicht ist: die Piste hinauf nach Durnholz und zum gleichnamigen See.

Der einst durch einen mächtigen Hangrutsch entstandene Bergsee liegt auf 1545 m Höhe, wird durch zwei Bäche sowie Quellen am Seegrund gespeist und erwärmt sich selbst im Hochsommer trotz seiner geringen Tiefe von gerade einmal 13 m nur auf wenige Grad Plus. Badetücher sind hier also keine Pflicht, dafür vielleicht eine Angelkarte, denn im See gedeihen herrlich frische Forellen. Die umliegende Bergbauern-Streusiedlung ist ebenfalls sehenswert, beides zusammen macht unseren maximal einstündigen Exkurs so lohnend.  

Ein alpines Trainingsgelände für Anfänger, Wiedereinsteiger und alte Hasen

Und dann liegt es vor uns: das Penser Joch, einer der einsamsten Alpenpässe der Motorradregion Südtirol-Dolomiten. Die lange Wintersperre von Dezember bis Juni sowie die ehemals als Militärstraße geplante Trassierung durch hochalpines Gelände machen den Pass für den Durchgangsverkehr absolut uninteressant. Aber nicht für uns Genuss-Biker, für den tourenden Entdecker im Mopedsattel.

Penser Joch©Heinz Studt

Für uns stellt das Penser Joch mit seinen acht Kehren auf gut 30 Kilometern Länge sowie dem fast hochalpinen Panorama einen porentiefen Genuss dar, den sich auch Anfänger und Wiedereinsteiger im Mopedsattel ausgiebig gönnen sollten. Mit maximal 13% Steigung auf ordentlicher Piste ist das Penser Joch das ideale Trainingsgelände für die hohe Kunst des alpinen Motorradfahrens. Und mit etwas Glück hat der einsame Berggasthof auf der Passhöhe sogar offen. Ja, an sonnigen Sommerwochenenden kann der Alpenrosenhof zu einem echten Bikertreff mutieren, zur Einkehr mit Ausblick.

Mit Sterzing erreichen wir dann wieder das Tal des Eisack, der uns in weiten Schleifen und Kurven gen Süden nach Brixen führen möchte. Doch halt: Es lohnt an dieser Stelle erneut ein rascher Blick auf die Mopeduhr. Falls der Tourentag noch ein, zwei Stunden Sonne verspricht, empfehlen wir Euch den Sackgassen-Abstecher hinauf ins Pfitscher Tal zum gleichnamigen Joch. Gleichwohl dieses nur zu Fuß erreichbar ist – die letzten Kilometer sind für Motorfahrzeuge gesperrt – lohnt der Abstecher in das vielleicht schönste Südtiroler Brennertal – mit einer Selfie-Ausbeute, die jeden begeistert.

Alternativ und etwas kürzer bietet sich die Auffahrt zum kleinen Bergdorf Spinges als letzte Fitnessübung des Motorrad-Tages an. Windungsreich schraubt man sich bis zum einladenden Hotel Senoner hinauf, das bei Motorradurlaubern äußerst beliebt ist.  

Pfitscher Joch©Heinz Studt

Übersicht aller Pässe der Tour

Ritten
Höhe: 1155 m
Länge: 18 km
Maut: keine
Wintersperre: keine
Anspruch: leicht

Schermoossattel
Höhe: 1450 m
Länge: 25 km
Maut: keine
Wintersperre: keine
Anspruch: fast durchgängig leicht

Penser Joch
Höhe: 2211 m
Länge: 30 km
Maut: keine
Wintersperre: Dezember bis Mai Anspruch: leicht

Pfitscher Joch (bis Sperre)
Höhe: 1797 m
Länge: 26 km
Maut: keine
Wintersperre: keine (ab Kehre 4 Totalsperre für motorisierte Fahrzeuge)
Anspruch: leicht


Tourenbeschreibung in Zusammenarbeit mit MOTORRADSTRASSEN
www.motorradstrassen.de

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